Was ändert sich in meiner Arbeitswelt?

Veröffentlicht am 16.09.2016 in Pressemitteilungen

Die Digitalisierung unseres Lebens und die Nutzung der Informationstechnologie nimmt zu und ist nicht aufzuhalten. Die intelligente und vernetzte Fabrik ist in aller Munde. Damit auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer davon profitieren können, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, die Plattform Industrie 4.0 ins Leben gerufen. Der Begriff Industrie 4.0 steht für die vierte industrielle Revolution, die sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf unsere Industrie und Arbeitswelt befasst. Zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) hatte die SPD aus der Region mit den Ortsvereinen Epfenbach- Helmstadt- Bargen- Flinsbach-Neidenstein- Neckarbischofsheim- Reichartshausen- Spechbach und Waibstadt zur Veranstaltung eingeladen.

Die Aula der Grundschule Neckarbischofsheim war gut besucht, vier sachkundige Referentinnen und Referenten, sowie viele diskussionsfreudige Gäste und bereicherten die Veranstaltung. Dr. Lars Castellucci, MdB für die Region Rhein-Neckar und Professor für nachhaltige Entwicklung, moderierte souverän und es wurden Fragen beleuchtet, wie z.B. wie können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit den Unternehmen von den modernen Entwicklungen profitieren?A

Die Sozialwissenschaftlerin Delia Schröder vom IFA - Institut für Technologie und Arbeit der TU Kaiserslautern in Forschungs-und Beratungsprojekten beschäftigte sich vor allem in Fragen der Organisationsentwicklung und Prozessgestaltung.      Wie verändern sich Arbeitsabläufe, welche Berufe werden abnehmen und welche zu? Sie beschreibt mit Industrie 4.0 eine neue Art der Produktion mit innovativen Geschäftsmodellen, die sich durch eine durchgängige Digitalisierung der Arbeitsprozesse und die zunehmende Vernetzung intelligenter Maschinenprodukte und Betriebsmittel bestimmt.

Neue Organisationsformen mit unterschiedlichen Teams, flacheren hierarchischen Strukturen, flexibleren Arbeitszeiten und wie wirkt sich ständige Erreichbarkeit aus, wurden diskutiert. Was leistet im Vergleich ein intelligenter Kühlschrank und wie können Maschinen effektiver gewartet werden. Was haben wir in den Arbeitsprozessen davon? So kann zum Beispiel die Lagerhaltung optimiert werden. Man produziert sehr zeitnah, was gerade gebraucht wird. Insgesamt entstehen mehr anspruchsvolle Arbeiten, weniger einfache Tätigkeiten. Es entstehen Teams, die sich selbst organisieren, nicht nach starren Strukturen, sondern mit speziellen Arbeitsaufgaben. Apps werden Standards in der Arbeitswelt. Teamarbeit, so Schröder, wird auch in Zukunft wichtig sein. Es wird entscheidend sein, wie Führungskräfte und Mitarbeiter miteinander umgehen, wie man sie „einbindet“. Teamarbeit wird einen noch höheren Stellenwert einnehmen, so Schröder.

Die SPD Bundestagsabgeordnete Gabriele Katzmarek arbeitet im Ausschuss für Wirtschaft und Energie sowie Gesundheit, Bildung und Forschung, ist zudem Berichterstatterin für Industrie 4.0 im Deutschen Bundestag. Sie zeigte auf, dass es  Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten gibt, aber auch Arbeitsplatzabbau durch den Wegfall bisher „klassischer Berufe“ in allen Branchen. Die Technisierung hat auch positive Vorteile wie z.B. die Arbeitserleichterung beim Heben und Tragen oder in der Chemie in der Arbeit mit gefährlichen Stoffen. Gesundheitsrisiken können minimiert werden. Gabriele Katzmarek, zeichnet die Entwicklung der Industrie von der Ersten industriellen Revolution mit Dampfmaschine und Webstuhl bis zur Stufe 2, dem Fließband, Stufe 3 die Elektronik mit Robotern und nun die große Veränderung mit digital gesteuerter Industrie 4.0. Die Maschine könne zum Beispiel einen Airbus selbst erstellen, Teile werden im Drei-D-Drucker gefertigt und bei Bedarf erstellt. Für die Menschen ist es grundlegend wichtig „Gute Arbeit“ zu haben. Wir können die Entwicklung nicht aufhalten, wir müssen sie positiv gestalten, so Katzmarek.

Wir brauchen viele junge Leute, die sich regelmäßig weiterbilden, die diese Arbeitszusammenhänge verstehen, engagierte Betriebsräte, Datenschutz muss erhalten bleiben und gute Rahmenbedingungen der Politik, auch in Bezug auf Leiharbeit und Werkverträge sind notwendig. Andrea Nahles arbeite bereits mit dem Bundesarbeitsministerium daran, entsprechende Konzepte mit vernünftigen mit Rahmenbedingungen für Mitarbeiter*innen zu erarbeiten. Wir müssen davon ausgehen, dass nicht wenige Arbeitsplätze verloren gehen, so Katzmarek.

Mirko Geiger, erster Bevollmächtigter der IGM Heidelberg, berichtete aus seinem reichen Erfahrungsschatz rund um Industrie 4.0. Er steht für eine Verbindung von guter Arbeit und gutem Leben, Erhalt und Schaffung von Arbeitsplätzen, gleiche Chancen auf Bildung und Arbeit und eine gerechte solidarische Gesellschaft. Die IG Metall befürchtet größeren Arbeitsplatzabbau im industriellen Bereich, denn auch wenn mehr Spezialisten gebraucht werden, kann nicht jeder Arbeitende in diesen Bereich wechseln. Entweder, weil es keinen mengenmäßigen Bedarf gebe und auch die Qualifizierung nicht immer möglich ist. Zurzeit arbeitet die Maschine dem Menschen zu, in Zukunft wird der Mensch der Maschine zu arbeiten. Eine komplett andere Arbeits- und Denkweise. Neue Berufe bilden sich heraus, die Auszubildenden müssen das notwendige technische und computerbasierte Knowhow vermittelt bekommen, damit sie am Arbeitsmarkt bestehen können.

Die Kommunikation in Betrieben habe sich komplett verändert, so Geiger. Früher war die Kommunikation von Mensch zu Mensch vorrangig. In Zukunft läuft Kommunikation von Maschine zu Maschine. Die Technik ist schon vorhanden. Die Systeme werden das Arbeitsverhalten der Menschen prägen. Dies zeigte sich schon bei den Heidelberger Druckmaschinen und bei SAP. In der Hannover Messe wurde ein Roboter vorgestellt, der unterschiedliche Aufgaben selbstständig ausführen kann. Hierzu braucht man einerseits sehr qualifiziertes Personal sowie auch geringer qualifizierte Mitarbeitende. Das “Backoffice“ verteilt dann die Aufgaben. So berichtet Mirko Geiger aus der Praxis über die Golfproduktion. Dort wurden Autos mit 20-fachem Robotereinsatz produziert. einige Arbeitsplätze entstanden neu, andere wurden reduziert. Es zeichnet sich ein bis zu 47%iger Arbeitsplatzabbau ab. Wie sollen in so kurzer Zeit, so viele Menschen für andere und neue Berufe qualifiziert werden?

Lars Castellucci stellte die Frage an die Referenten, welche Arbeitsplätze werden reduziert und welche sollen bestehen blieben?

Schröder sieht veränderte Berufsbilder, existierende Berufsbilder bilden sich zurück, neue Aufgabenfelder und Berufsbilder entstehen. Katzmarek meint, es gibt es verlorene Arbeitsplätze, aber auch neue. Man müsse sich nicht „bange machen“ sondern diese gestalten.

Das Publikum stellte Fragen zum Datenschutz, Befürchtungen wurden geäußert, er werde ausgehebelt, wie „gläsern“ werden wir? Gerade hier seien gute Betriebsräte und fundierte Tarifverträge notwendig, so Katzmarek. Wie sieht die Zukunft von Berufsbildenden Schulen aus? Sie brauchen Übungsroboter, um das Notwendige Wissen adäquat vermitteln zu können. Wir brauchen nicht Arbeit 4.0, sondern Leben 4.0. Datenschutz müsse gestaltet werden, wir müssen bei unseren Daten das letzte Wort haben, sowohl im beruflichen wie privaten Bereich. In den Betrieben seien Mitbestimmung und ein Betriebsverfassungsgesetz absolut unabdingbar, so Katzmarek.

Wíe deutsch ist Industrie 4.0? Der Begriff sei nun überregional anerkannt, so Schröder. Um Datenschutz zu gewährleisten, brauchen wir Steuerungsteams, die Betriebsräte müssen eingebunden und ein systemisches Reklamationswesen aufgebaut werden.

Mirko Geiger bemerkte, Betriebsräte und Arbeitsplätze werden in technischen Berufen verdoppelt. Es gibt cyberphysische Systeme, einzelne Bauteile werden schon jetzt ohne Menschen produziert. Vernetzung ist hier grundlegende Voraussetzung, so werde das Ford T-Modell in großer Stückzahl mit Industrie 4.0 gefertigt, ein individuelles Produkt entsteht, das selbstfahrende Auto. Es ist zu klären, wie und wo wurde das Produkt gebaut? Wer bedient Schnittstellen und Kunden? Hier sind Betriebsräte einzubinden und ein gesellschaftlicher Konsens über die Nutzung ist herzustellen. Wie wollen wir künftig leben und arbeiten? Umwelt und Nachhaltigkeit müssen berücksichtigt werden, so Castellucci.

Dennoch wurde die Arbeit durch den Einsatz der Technologien gesünder, so Geiger. Nach Schröder müsse auch Inklusion, Gesundheit und Datenschutz berücksichtigt werden. Kommt jemand „unter die Räder“, müssen die Vorgänge überprüft werden, auch Rohstoffe, Fahrten zum Arbeitsplatz, Gesundheitsbereich und Sensorik müssen berücksichtigt werden regte Katzmarek. So können schon heute für Senioren und Menschen mit Behinderung, z.B. durch die Umgestaltung des Fußbodens, so dass Signale über das Befinden (Fallen) eines Bewohners weitergegeben werden an z.B. einen Notdienst. Hier gibt es eine Verbesserung der Lebensqualität.

So birgt gibt Arbeit 4.0 und Industrie 4.0 viele Risiken und Veränderungen, aber auch Chancen für ein besseres Leben. Es ist es wichtig, Politik für die Menschen zu machen, denn die Maschine soll im Endeffekt immer dem Menschen dienen und nicht umgekehrt.

Homepage AfA Rhein-Neckar

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