Mitgliederversammlung mit Aspiranten auf Landtagskandidatur

Veröffentlicht am 06.02.2010 in Kreisverband

Schuster und Wichmann bei der MGV

Auf großes Interesse stieß die Mitgliederversammlung der SPD Heidelberg, bei der Prof. Dr. Anke Schuster und Claus Wichmann sich den Interessierten vorstellten. Nur eine/r von beiden kann für die SPD Heidelberg bei den Landtagswahlen 2011 ins Rennen gehen. Am 16. April wird nominiert, bis dahin werden Wichmann wie Schuster versuchen, so viele Delegierte wie möglich auf ihre Seite zu bringen.
Beide befanden es in ihren Vorstellungsreden für gut, dass es in einem lebendigen Kreisverband wie Heidelberg eine personelle Auswahl gibt. Das rege die innerparteiliche Diskussion an und sei der Beweis für ein breites Spektrum an Meinungen und Interessen innerhalb der Partei.

Prof. Dr. Anke Schuster eröffnete die Vorstellungsrunde. „Die Anke, die für Euch in Stuttgart Politik macht, wird sich nicht von der ‚Heidelberg-Anke’ unterscheiden“, so Schuster, „streitbar in der Sache für sozialdemokratische Ideen und solidarisch im gemeinsamen Arbeiten.“ Ihre langjährige Erfahrung in der Kommunalpolitik und die erzielten Erfolge wie das Heidelberger Unterstützungssystem Schule (HÜS) und das Bündnis für den Emmertsgrund warf sie in die Waagschale. „Landespolitik ist Bundespolitik ist Kommunalpolitik ist SPD-Politik“, stellte sie fest, um deutlich zu machen, dass Landespolitik mit allen Ebenen verzahnt ist und kommunale Erfahrung daher hilfreich.
Anke Schuster verglich den Zustand der SPD im Gesamten mit einem Schiff, das durch viele kleine Kursänderungen, einsam in der Kapitänskajüte vorgenommen, das eigentliche Ziel aus den Augen verloren hat. „Wir haben politische Fehler gemacht, nun gilt es diese zu korrigieren, indem wir unser politisches Ziel wieder eindeutig justieren und den Kurs daraufhin festlegen“, sagte sie. Das Ziel der Sozialdemokratie ist die Vision einer solidarischen Gesellschaft. „Keine Partei oder politische Gruppierung außer der SPD stellt Solidarität gleichwertig neben die Grundwerte Freiheit und Gerechtigkeit“, so Schuster. Sie zitierte den renommierten Politologen Prof. Klaus von Beyme: „Solidarität ist aber der wichtigste Grundwert, denn erst sie gibt der Gesellschaft ein menschliches Antlitz“.
Solidarität heißt für Anke Schuster: Teilhabechancen ermöglichen und füreinander Verantwortung übernehmen. „In einer Wissensgesellschaft ist das Kernelement der neuen sozialen Frage die Bildung. Bildung ist Teilhabefördernde Sozialpolitik“, so Dr. Schuster. Sie kritisierte die jahrzehntelange Politik der CDU-Landesregierung, die in der Bildung immer noch auf Selektieren und Ausgrenzen setze. „Damit muss Schluss sein - wir wollen bessere Bildung für alle unabhängig vom Geldbeutel der Eltern. Wir wollen Bildungserfolge ermöglichen, indem wir integrieren und die Kinder mitnehmen“, so Schuster. Längeres gemeinsames Lernen statt frühzeitiger Selektion schon in der Grundschule sei der richtige Weg. Das dreigliedrige Schulsystem bezeichnete sie als Schnee von gestern.
In Baden-Württemberg seien die Ausgaben für Nachhilfe so hoch wie in keinem anderen Bundesland, weil die Förderung von Schwächeren nicht in der Schule stattfinde. Kinder von Geringverdienenden würden dadurch benachteiligt. „Entsprechende Initiativen werde ich im Landtag anstoßen wie mit HÜS hier in Heidelberg, denn Förderung und Bildung gehören wieder in die Schulen“, bekräftigte Schuster.
„Wir müssen die Bildungs-Sackgassen der CDU aufheben und einen breiten Zugang zu qualifizierten Abschlüssen ermöglichen“, so Schuster. Für die Hochschulen bedeute dies: Abschaffung der Zulassungsbeschränkungen, freier Zugang zum Masterstudium und eine soziale Öffnung der Hochschulen durch ein „Berufsabitur“, also einer dem Abitur entsprechenden Qualifikation aus Ausbildung und Arbeitsleben. Schuster ging auf die missliche Lage des Mittelbaus an den Hochschulen ein, da werde ein Zeitvertrag an den anderen gereiht, viele Teildeputate reichten kaum zum Leben. „Wissenschaftlich ausgebildeten Menschen müssen nicht nur Bildungs- sondern auch Beschäftigungsperspektiven eröffnet werden, d.h. wir brauchen mehr unbefristete Beschäftigungsverhältnisse für den wissenschaftlichen Mittelbau“, formulierte sie.
Für diese Politik bedürfe es eines handlungsfähigen Staates, daher seien die aktuellen „Steuersenkungsorgien“ im Bund, die auf das Land und die Kommunen durchschlagen, nicht vertretbar. Plänen des designierten Ministerpräsidenten Mappus, nach dem Rasenmäher-Prinzip Ausgaben zu kürzen, erteilte sie eine klare Absage. „Politik heißt auch Prioritäten setzen. Bildung, Betreuung und Soziales muss von Kürzungen ausgenommen werden.“, so Schuster. Dass dies möglich sei, wenn man nur wolle, machte sie am Beispiel Heidelbergs deutlich. Selbst in schwierigen Haushaltsjahren habe man stets den Bereich Schulen, Kinder und Jugendliche von Einsparungen ausgenommen.
Für den Fall ihrer Nominierung kündigte sie an, das SPD-Programm gemeinsam mit den Mitgliedern in Zukunftswerkstätten zu erarbeiten. Alle Kräfte müssten gebündelt werden, innerhalb und außerhalb der Partei. Schließlich stellte sie mit Adrian Gillmann, Mitglied der Jusos und der Juso-Hochschulgruppe, ihren Zweitkandidaten vor und schloss ihre Vorstellung mit einem Liedtitel von Xavier Naidoo: „Wir müssen was bewegen, sonst bewegt sich nichts“.
Nun war Claus Wichmann an der Reihe, er stellte sich vor als „traditioneller Parteiarbeiter, der loyal zu seiner SPD steht“. Wer nicht nach innen solidarisch sei, könne das auch nicht nach außen sein, fuhr er fort. Viel Herzblut habe er in seine Jahrzehnte lange Arbeit für die SPD eingebracht. Aktiv in der Landespolitik war er in der letzten Legislaturperiode, im Wissenschaftsausschuss, im Ständigen Ausschuss – der Schnittstelle von Justiz, Verfassung, Medien, Europa und der Staatskanzlei – sowie als Vertreter im Wirtschafts- und Petitionsausschuss.
Er stellte das breite Spektrum vor, das er repräsentiert: Vom traditionellen Kleine-Leute-Ortsverein Pfaffengrund im Ehrenamt bis hin zu Forschung, Lehre und Hochtechnologie sei ihm nichts fremd.
Wichmann formulierte drei Bedingungen für einen Wahlerfolg. Die Landes-SPD müsse mit einer/m Zugkräftigen Spitzenkandidat/in in die Wahl 2011 gehen und programmatisch nicht den Durchschnitt von Stadt und ländlichem Raum abbilden, sondern beides eigenständig. Das Wahlsystem, das nach wie vor kleine Wahlkreise benachteilige, führte zu den Mandatsverlusten in Stuttgart, Karlsruhe und Heidelberg. Da deshalb die Großstädte in der Landtagsfraktion unterrepräsentiert seien, fehlten die Impulse aus den Großstädten. Den heimischen Genossen machte Wichmann deutlich, dass nur eine außerordentliche, gemeinsame Kraftanstrengung der SPD in Heidelberg zu einem Mandat führen werde.
Bildung, das Kernthema der Landespolitik, müsse auch in Haushalten ohne Kinder profund verankert sein. Zu stark liege der Focus auf den Institutionen, Schule muss von den Schülern aus gedacht werden und nicht das fertige Konzept, sondern der Prozess, der alle Gruppen einbindet und sensibilisiert, führe zum Umdenken und so zu Mehrheiten. „Bildung ist kein Gegenstand, Absolventen einer Schule sind kein Produkt“, so Wichmann.
Er erinnerte an den massiven Ausbau der Hochschulen auch in Heidelberg in den 1970er und 80er Jahren. Dies seien gute Maßnahmen gewesen, nur habe man heute einen Riesen-Sanierungsstau und kaum noch Mittel für Neubauten. Für wissenschaftliche Hilfskräfte und den Mittelbau an Universitäten forderte er, dass es endlich einen „Wissenschafts-Tarifvertrag“ geben solle. Nur so könne der Standard der Wissenschaft im Lande gesichert und entlang den Erfordernissen erhöht werden, sagte Claus Wichmann.
Finanziert werden könnten mehr Mittel im Bildungsbereich durch ein konsequentes Prüfen aller Ausgaben und eine Erhöhung des Personals bei Steuerverwaltungen. „Wir müssen auch darüber diskutieren, in welchem Maße große Erbschaften und Vermögen besteuert werden können“, griff Claus Wichmann eine klassische SPD-Forderung auf.
Eine Vermögenssteuer, eine Börsenumsatzsteuer seien für ihn denkbare Instrumente, die Umverteilung von unten nach oben müsse gestoppt und umgekehrt werden. Und das seien keine verrückten Ideen, so würde dem Umstand Rechnung getragen, dass mit Geld mehr Geld verdient wird als mit dem Faktor Arbeit, dessen Besteuerung allein den Investitionsbedarf nicht decken kann.
Er sprach auch die katastrophale Überalterung der Schutzpolizei an, Sicherheit sei ein wertvolles Gut, die Menschen im Lande hätten Anspruch auf eine ausreichend besetzte Polizei. Laut GdP haben die Beamtinnen und Beamten im Streifendienst einen höheren Altersschnitt als die Bevölkerung in Baden-Württemberg.
Das Projekt Stuttgart 21 lehnte Wichmann ab, es entwickle sich zu einem Fass ohne Boden. Die Neubaustrecke nach Ulm hängt noch im Genehmigungsverfahren, während Milliarden in Stuttgarter Bahnhof versenkt werden. Der einzige Vorteil des aufwändigen Projekts sei, dass es mit Sicherheit kein Geld für einen Neckarufertunnel in Heidelberg übrig lasse.
Lange bekannt sei, dass 2012 zwei Abitur-Jahrgänge an die Universitäten drängten. „Für jeden Studierwilligen soll ein Studienplatz vorhanden sein, es wird höchste Zeit, dafür Mittel zur Verfügung zu stellen“, sagte Claus Wichmann.
„Wir müssen den Wählerinnen und Wählern wieder ein gutes Gefühl dabei geben, wenn sie ihr Kreuzchen bei der SPD machen“, betonte er. Der Wähler wohne an zwei Wohnsitzen: Im Erstwohnsitz wohne das Notwendige, im Zweitwohnsitz die Sehnsucht auf etwas Besseres und Gerechteres, nämlich die Hoffnung. Wahlen gewinne man mit dem Zweitwohnsitz, so Wichmann. Die stärkste Partei im Wahlkreis, die Partei der Nichtwähler, müsse 2011 animiert werden, wieder an die Urnen zu gehen und der zweitstärksten Partei Verluste zufügen – kurzum: SPD zu wählen.
Für den Fall seiner Nominierung kündigte Claus Wichmann einen ebenso kämpferischen wie kreativen Wahlkampf an. „Ich würde mich mit Euch reinhängen und so kriegen wir die Zahnpasta wieder in die Tube“, so Wichmann.

In der sich anschließenden Fragerunde sah Wichmann thematisch die größte Schnittmenge mit den Landes-Grünen im Bildungsbereich. In Fragen der Sozial- und Finanzpolitik liege man weiter auseinander.
Anke Schuster vermisst bei den Grünen die soziale Komponente, sie seien zwar prädestinierte Koalitionspartner für die SPD, ein großer Teil drifte allerdings schon Richtung Grün/Schwarz ab.
„Wie haltet Ihr es mit der Linkspartei?“ war eine weitere Frage. Claus Wichmann bezeichnete die meisten baden-württembergischen Funktionäre als verbittert, mit denen könne man kaum zusammenarbeiten. Anke Schuster sagte, die Linke habe kein Programm, eine Zusammenarbeit gestalte sich eher schwierig.
Die LBBW-Turbulenzen wurden auch thematisiert. Anke Schuster sagte klar, wenn Aufsichtsräte nicht ihre Pflicht erfüllten, müssten sie in der Fraktion Rechenschaft ablegen und gerügt werden. Claus Wichmann hielt die Landesbank für ein gutes Steuerungsinstrument, das Land könne Gelder kreativ vergeben. Spekulationsgeschäften, wie sie auch von der LBBW getätigt worden waren, erteilten beide eine Absage. Wie weit die Kandidaten das Versammlungsrecht liberalisieren würden, wurde gefragt. Anke Schuster forderte mehr Mut der Politik, die Genehmigungs-Schwellen für Demonstrationen könnten gesenkt werden. Sie regte an, Bürgerbegehren Problemloser initiieren zu können. Quoren müssten gesenkt, einfach mehr Demokratie gewagt werden. Claus Wichmann, der schon einige Nazi-Aufmärsche miterlebt habe, plädierte für eine Liberalisierung des geltenden Rechts. Über den Ausschluss gewisser Orte und Plätze müsse man aber nachdenken, gerade im Hinblick auf so manche Nazi-Aktivitäten.
Zur Frage „Exzellenz-Initiativen des Bundes – gut oder nicht?“ sagte Wichmann, eine kritische Masse an kritischen Leuten an einer Volluniversität bedeute Kreativität. Auch davon lebten Universitäten.
Schuster sieht gute Ansätze, der Universitäts-Standort Heidelberg genieße international nach wie vor ein gutes Renommée, eine Stärkung sei durchaus willkommen.
Nach knapp zwei Stunden waren Vorstellung und Fragerunden bewältigt, nun geht es für beide darum, in den Ortsvereinen um Delegiertenstimmen zu werben.
(Foto+Text: Jürgen Huntscha)

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