Reform §177 des Strafgesetzbuches - Tatsächliche Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht

Veröffentlicht am 14.11.2014 in Anträge

Empfängerin: AsF BW, SPD-Landesverband, SPD-Bundesverband

Antrag: Die AsF Heidelberg fordert die Reform des § 177 StGB im Bereich der sexuellen/sexualisierten Gewalt gegen Erwachsene.  Wir fordern die Vornahme sexueller Handlungen gegen den Willen einer Person unter Strafe zu stellen. Hierbei darf nicht Gewaltanwendung, die Androhung einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben oder das Ausnutzen einer schutzlosen Lage durch den/die Täter*in die Strafbarkeit begründen. Der Straftatbestand muss bereits an dem Punkt erfüllt sein, wenn das Opfer mit bestimmten Handlungen nicht einverstanden ist. Somit ist das Einverständnis aller Beteiligten bei sexuellen Handlungen die Prämisse und nicht das "Sich-Genug-Wehren-Müssen" des Opfers. Die Verantwortung für das, was als strafwürdiger sexueller Übergriff gewertet wird, darf nicht mehr länger den Opfern übertragen werden! Zum 1. August 2014 ist im Europarat die Istanbul-Konvention in Kraft getreten. Die Bundesrepublik hat mit einem Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz ( "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht") die Umsetzung der Konvention eingeleitet. Unserer Meinung nach, wird die Konvention hiermit nicht zufriedenstellend umgesetzt!  So  legt die Istanbul-Konvention in innerstaatlichem Recht einen Schwerpunkt auf den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Ausbeutung und Missbrauch. Vorhandene Schutzlücken für von sexualisierter Gewalt betroffene Erwachsene schließt der Entwurf hingegen nicht. Dies steht im Widerspruch zur Istanbul-Konvention und zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte: Aus ihnen ergibt sich, dass alle sexuellen Handlungen gegen den Willen der Betroffenen effektiv strafrechtlich verfolgt werden müssen. Deswegen fordern wir die längst überfällige Reform des §177 StGB, denn eine effektive Strafverfolgung findet derzeit in Deutschland nicht statt. 

Begründung: Aktuelle Zahlen, vorgelegt durch das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen, zeigen, dass es 2012 in nur 8,4 Prozent aller angezeigten Vergewaltigungen zu einer Verurteilung gekommen ist. Die Ergebnisse entsprechen in etwa den Befunden einer Studie aus 2009, wonach Deutschland im europäischen Vergleich die sechstniedrigste Quote an Verurteilungen aufwies.  Für die niedrige Verurteilungsrate gibt es verschiedene Gründe. Ein Grund ist der Tatbestand der sexuellen Nötigung/Vergewaltigung (§ 177 StGB). Strafbarkeitslücken entstehen insbesondere da, wo Täter/innen keine Gewalt anwenden oder damit drohen und die Betroffenen dann die Tat aus Angst oder Schock ohne Gegenwehr über sich ergehen lassen.  In der Beratungspraxis von Frauenhäusern/Frauennotrufen sind die Beratungsstellen immer wieder mit betroffenen Frauen konfrontiert, die nach eingehender Information über die aktuelle deutsche Rechtslage von einer Anzeige nach sexueller Gewalt absehen. In diesen Fällen war in der Regel ersichtlich, dass der oder die Täter*innen sich bewusst waren, dass sie die sexuellen Handlungen gegen den ausdrücklichen Willen der Betroffenen vornahmen. Darüber hinaus suchen Frauen in den Beratungsstellen Unterstützung, die erleben mussten, dass ihre Anzeige des sexuellen Übergriffs mit einem Einstellungsbescheid durch die Staatsanwaltschaft endete. Der Dachverband, der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff), hat Einstellungsbescheide und Freisprüche gesammelt, aus denen eindeutig hervorgeht, dass die Strafbarkeit der Tat nicht etwa mangels Beweisen scheiterte, sondern ausschließlich aufgrund der Ausformulierung der Tatbestandsmerkmale des §177 StGB. Daher muss der Gesetzgeber tätig werden und sollte die Gelegenheit nutzen, im Rahmen der anstehenden Reform des Sexualstrafrechts auch die Verbesserung des Schutzes von Frauen und Männern vor sexualisierter Gewalt mit einer Überarbeitung des § 177 Strafgesetzbuch zu erreichen.

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