Schulsozialarbeit in Heidelberg

Veröffentlicht am 31.01.2014 in Kommunalpolitik

Sozialbürgermeister Joachim Gerner und Myriam Feldhaus, die Leiterin des Kinder- und Jugendamtes, haben zur Broschüre „Wirkungsorientierte Steuerung. Haushaltskonsolidierung durch innovative und präventive Sozialpolitik“ (Texte der KommunalAkademie Bd. 6) der Friedrich-Ebert-Stiftung einen Text zur Schulsozialarbeit in Heidelberg beigesteuert, den wir auch hier publizieren:

Die Städte in Deutschland sind insbesondere seit den 1990er-Jahren durch wachsende Ungleichheit und durch fortschreitendes Auseinanderstreben der gesellschaftlichen Gruppen gekennzeichnet. Als Triebkräfte des gesellschaftlichen Strukturwandels lassen sich benennen: eine zunehmend instabile Wirtschaftsentwicklung, das Nachlassen der Bindungskraft des klassischen Familienmodells und salopp gesagt, wir werden weniger, älter und bunter. Die unterschiedlichsten Lebensformen und Lebensweisen stehen zur Wahl und bestimmen unsere gesellschaftliche Realität und die unserer Kinder. Familienpolitik reagiert hierauf und muss, gerade auf lokaler Ebene, zwei zentrale Fragen beantworten: Wie lässt sich ein für Familien förderliches Lebensumfeld schaffen, erhalten und verbessern?

Wie können Familien entlastet werden, beispielsweise durch eine soziale Infrastruktur, die den Bedürfnissen berufstätiger Eltern und den verschiedenen Lebensentwürfen der Familien gerecht wird? Damit wirkt Familienpolitik auf ein familienfreundliches Klima innerhalb der Kommune hin und bietet Familien verlässliche Rahmenbedingungen für ihre langfristigen biografischen Entscheidungen. Doch der viel zitierte gesellschaftliche Wandel hat mit der grundsätzlichen Freiheit, die eigene Lebensform zu wählen – gerade vor dem wirtschaftlich angespannten Hintergrund –, nicht nur Gewinner hervorgebracht. Überforderte, verunsicherte Eltern, vernachlässigte, verhaltensauffällige, orientierungslose Kinder und Jugendliche sind auch ein Ergebnis dieses Wandels, auf das eine Kommune in ihrem Bemühen um ein funktionierendes Gemeinwesen Antworten finden muss.

In dieser Situation sind die Angebote und Maßnahmen der Jugendhilfe als Ergänzung, Entlastung und Unterstützung der Familien nötiger denn. Angesichts leerer Kassen scheint es trotzdem nahe zu liegen, einen entscheidenden Zweig der Jugendhilfe – die Präventionsarbeit – zu reduzieren und die Ausgaben auf die gesetzlich geforderte Einzelfallhilfe bei konkreten Missständen zu konzentrieren. Die sogenannten „freiwilligen Leistungen“ der Präventionsarbeit geraten mit dem Argument „Wer weiß, ob sich das lohnt?“ als Erstes unter Spardruck.

Heidelberg ist gemeinsam mit vielen Kooperationspartnern einen anderen Weg gegangen. Unsere Ausgangsthese lautete: Das Ausschöpfen vorhandener Ressourcen und mehr Investitionen in strukturelle Maßnahmen oder auch in flexible ambulante oder teilstationäre Stützsysteme, die ein engmaschiges Netz bilden, ist humaner und stellt eine unverzichtbare Ergänzung der Hilfen im Einzelfall dar. Im besten Fall werden mittel- und langfristig die Ausgaben für die kostenintensiven stationären, individuellen Hilfen reduziert. Diese präventive Strategie soll dazu dienen, jungen Menschen ihr soziales Umfeld zu erhalten und sie zu stabilisieren. Gleichzeitig soll der Ausgabenexplosion in diesem Bereich entgegengewirkt werden.

Alle Maßnahmen und Leistungen, die vom Kinder- und Jugendamt der Stadt Heidelberg entwickelt werden, haben ihre rechtliche Grundlage im Kinder- und Jugendhilfegesetz, das heißt im SGB VIII. Diese Aufgabenfelder lassen sich grob in zwei große Felder einteilen:

  • strukturelle Angebote der Jugendhilfe
  • individuelle Angebote der Jugendhilfe

Zu den individuellen Angeboten der Jugendhilfe gehören zum Beispiel die Hilfen zur Erziehung nach § 27 ff. SGB VIII oder die Eingliederungshilfen nach § 35a SGB VIII. Zu den strukturellen Angeboten der Jugendhilfe gehören das Bereitstellen von Betreuungsangeboten in Kindertagesstätten, die Tagespflege, die offene Jugendarbeit und vieles mehr. Insbesondere diese Leistungen wurden mit hohem finanziellen Aufwand in den vergangenen Jahren weiter ausgebaut.

Dabei versteht sich die Kinder- und Jugendhilfe der Stadt Heidelberg als eine Interessensvertretung und ein Dienstleistungsbetrieb für alle Kinder, Jugendlichen und deren Eltern. Innovative Ideen werden entwickelt, aufgegriffen und für eine zukunftsorientierte Weiterentwicklung der Jugendhilfe nutzbar gemacht. Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen, Eltern und Familien bietet sie Beratung, Unterstützung und Begleitung an. Es ist das erklärte Ziel, kinder- und familienfreundliche Lebensbedingungen mit zu entwickeln und Benachteiligungen von Kindern und Jugendlichen erst gar nicht entstehen zu lassen oder vorhandene zumindest abzubauen. Hand in Hand mit zahlreichen Kooperationspartnern ist ein breites Leistungsspektrum für Kinder, Jugendliche und Eltern aufgebaut worden. Die einzelnen Leistungselemente sind so aufeinander bezogen und werden in der Art miteinander abgestimmt, dass Kinder und Jugendliche gezielt gefördert werden können. Die einzelnen Leistungsfelder umfassen zum Beispiel die präventive Jugendarbeit, das heißt die Schulsozialarbeit, die Suchtprävention, die Jugendberufshilfe, die Kooperation mit der Polizei und dem Amt für öffentliche Ordnung, die Erziehungsberatung sowie die offene Jugendarbeit, aber auch weitere zahlreiche Angebote, wie zum Beispiel die Organisation und Steuerung von Ferienbetreuungsmöglichkeiten für alle Kinder und Jugendlichen der Stadt Heidelberg aber auch die Kindertagesbetreuung und vieles mehr.

Es steht mittlerweile außer Frage und ist auch wissenschaftlich erforscht und dokumentiert, dass die strukturellen und die individuellen Angebote der Jugendhilfe gleichzeitig in einem inneren Zusammenhang stehen, das heißt, dass sie sich bedingungslos aufeinander beziehen. Dieser These folgend nutzte Heidelberg also seine vorhandenen Beratungs- und Hilfsangebote intensiver und effektiver und investierte freiwillig sehr frühzeitig in den Ausbau der Kindertagesbetreuung in Krippen- und Kindergartenplätzen, in die Flexibilisierung und die Ausweitung der Öffnungszeiten der Betreuungseinrichtungen, in Schulsozialarbeit, in Jugendsozialarbeit, in Berufshilfe und vieles mehr.

Das Ergebnis: Die Zahlen geben der Ausgangsthese recht. Das enge Netzwerk hat seit 1999 dazu bei getragen, dass die Ausgaben für die Einzelfallhilfen nicht weiter anstiegen, sondern dass sie vielmehr stabil blieben. Nicht verbrauchte Haushaltsmittel wurden nicht etwa eingespart, sondern konnten in die präventiven Strukturangebote der Jugendhilfe umgeschichtet werden. Der wirtschaftliche Erfolg des Kinder- und Jugendamtes kam also dem Ausbau der Struktur, in den auch Aspekte der Qualitätssicherung einflossen, zugute. [1]

Der wirkungsvolle Einsatz von Prävention ist am Beispiel der Schulsozialarbeit besonders gut abzulesen: Spätestens seit den Ergebnissen der epidemiologischen Verlaufsstudie zu Lebensbedingungen, Verhalten und Problemen von Kindern zu Beginn und Ende der Grundschulzeit kann zuverlässig festgestellt werden, dass Schülerinnen und Schüler mit Hauptschulempfehlung deutlich problembehafteter sind als Schüler mit Realschul- oder Gymnasialemp fehlung. Diese Studie wurde von der Universität Heidelberg, Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie und dem Gesundheitsamt über einen Zeitraum von vier Jahren an rund 7.000 Grundschulkindern durchgeführt. [2] Mit dieser Erkenntnis begann im Jahr 2002 der Einsatz der Schulsozialarbeit in Heidelberg zunächst einmal flächendeckend in den Haupt- und Förder schulen und wurde seitdem systematisch auf weitere Schulen in Heidelberg ausgeweitet. Dabei wurden fortlaufend die Entwicklungen der Schulpolitik hin zu Ganztagesschulen oder Gemeinschaftsschulen und auch neue Situationen, wie der Wegfall der Grundschulempfehlung, berücksichtigt und die Schulsozialarbeit an die neuen Bedingungen angepasst. Seit dem Schuljahr 2007/08 gibt es Schulsozialarbeit auch an allen Heidelberger Grundschulen und mit dem Schuljahr 2009/10 außerdem an den drei öffentlichen Heidelberger Realschulen und für den B-Zug der Internationalen Gesamtschule (IGH).

Die Schulsozialarbeit wird von 18 Schulsozialarbeiter/-innen durchgeführt (zwölf Teilzeit- und sechs Vollzeitkräfte besetzen insgesamt rund 13,5 Vollzeitstellen), die bei den Trägern der Erziehungshilfe angestellt sind und damit über große Erfahrung im Umgang mit Kindern und Jugendlichen mit erhöhtem Förderbedarf verfügen und insbesondere mit dem Allgemeinen Sozialen Dienst im Einzelfall eng vernetzt sind.

Der Gemeinderat beschloss im Oktober 2012 einstimmig, die Förderung der erfolgreichen Schulsozialarbeit an Heidelberger Grund-, Haupt-, Förder- und Realschulen für weitere zwei Jahre fortzusetzen. Für 2013 wurden Mittel in Höhe von rund 838.000 Euro und für 2014 in Höhe von rund 855.000 Euro zuzüglich der erforderlichen Mittel für die wissenschaftliche Begleitung zur Verfügung gestellt.

Schulsozialarbeit ist als Teil der präventiven Jugendhilfe ein sozialpädagogisches Hilfsangebot in der Schule. Ziel ist es, die Ausgrenzung von sozial benachteiligten und individuell beeinträchtigten Schülerinnen und Schülern zu verhindern. Schulsozialarbeiter unterstützen in Absprache mit der Schulleitung und den Lehrer/-innen die Kinder und Jugendlichen bei der Integration in Schule und sozialem Umfeld und helfen im Einzelfall, ihre schulischen Leistungen zu verbessern. Schulsozialarbeit bietet eine Möglichkeit, diesen Problemlagen durch präventive und kompensatorische sozialpädagogische Maßnahmen entgegenzuwirken und dadurch Ausgrenzungsprozesse zu verhindern. Zielgruppe der Schulsozialarbeit sind junge Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind.

Dass Schulsozialarbeit wirksam ist und positive Effekte hat, wurde durch die Studien der Universität Heidelberg mehrfach bestätigt.

Die wissenschaftliche Begleitung der Schulsozialarbeit durch die Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Heidelberg belegt deren positive Effekte: So gab es weniger unentschuldigte Fehlzeiten und Nicht-Versetzungen. Die Lehrer sprachen von einem Gefühl der Entlastung und die Mehrheit der Schüler erlebte die Schulsozialarbeiter als Ansprechpartner bei Problemen. [3]

Heidelberg konnte damit dem Ziel „Integration statt Ausgrenzung“ gerecht werden. Und: Die in den Einzelfallhilfen freiwerdenden Gelder konnten in eine noch bessere Präventions-Infrastruktur reinvestiert werden. Diese Erfahrung zeigt, dass Prävention eine lohnende Investition in die Zukunft ist. Prävention lohnt sich nicht nur finanziell, sondern auch und vor allem für unser gesellschaftliches Zusammenleben. Die bisherigen Ergebnisse bestärken uns, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Es ist ein Weg, der sich durch die konsequente und engagierte Vernetzung von Menschen in allen Institutionen auszeichnet, um unseren Eltern, Kindern und Jugendlichen Unterstützung, Hilfe und Förderung anbieten zu können. [4]

Fußnoten:

[1] Vgl. Das Heidelberger Netzwerk für Kinder und Jugendliche, Kinder- und Jugendamt der Stadt Heidelberg (Hrsg.): „Prävention lohnt sich“, Stadt Heidelberg 2003.

[2] Vgl. J Haffner u.a.: Lebenssituation und Verhalten von Jugendlichen. Ergebnisse einer Befragung 14- bis 16-jähriger Jugendlicher und deren Eltern im Jahr 2005, hrsg. vom Gesundheitsamt Heidelberg / Rhein-Neckar-Kreis, Pädagogische Hochschule Heidelberg, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Universitätsklinikum Heidelberg 2006.

[3] Vgl. S. Fischer u.a.: Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung des Modellprojekts Schulsozialarbeit Heidelberg, Stadt Heidelberg 2008, in: www.heidelberg.de

[4] Vgl. Das Heidelberger Netzwerk für Kinder und Jugendliche, a.a.O.


Laden Sie hier die vollständige Broschüre (101 Seiten, 4,2 MB) als PDF herunter >>>

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