„Nur wenige verstehen den Zypernkonflikt, doch alle wissen, dass seine Lösung für Europa essentiell ist“

Veröffentlicht am 16.10.2007 in Veranstaltungen

Von links nach rechts: Prof. Dr. Heinz Richter, Botschafter Leonidas Markides, Lothar Binding(MdB) & Ulrike Hamann.

Zypern ist eine wunderschöne Insel südlich der Türkei und östlich von Griechenland gelegen und seit 2004 Mitglied in der EU. Ab nächstem Jahr wird sogar der Euro eingeführt. Doch Zypern ist seit Jahrzehnten ein Zankapfel zwischen der Türkei und Griechenland und eine potentielle Gefahr für den Frieden in Südeuropa. Die Insel ist geteilt. Im Norden leben rund 200000 türkische Zyprioten, im Süden rund 700000 griechische Zyprioten.

Der Wiedervereinigungsplan von Kofi Annan wurde in einem Referendum eine Woche vor dem EU-Beitritt von den türkischen Zyprioten zu 65% angenommen, jedoch von den griechischen Zyprioten mit großer Mehrheit (75%) abgelehnt. In Folge dessen ist das EU-Recht für das türkische Nordzypern ausgesetzt. Die Türkei hat Probleme mit der Anerkennung des EU-Staates Zypern, will anderseits aber selbst in die EU. Der Eintritt in die EU für die Türkei hängt auch mit der Zypernfrage zusammen. Wie kommt es zu dieser vertrackten Situation?

Um die Ursachen dieses Konfliktes zu beleuchten, hatte MdB Lothar Binding zusammen mit dem Arbeitskreis Europa der SPD Heidelberg den Mannheimer Historiker Prof. Heinz Richter eingeladen. In einem lebhaften Vortrag erläuterte Richter die Geschichte Zyperns und ihre Auswirkungen auf die heutige Konstellation. „Der Zypernkonflikt ist eine Folge von kolonialen und imperialen Intrigen der letzten Jahrhunderte“ ist das vorweg genommene Fazit des Wissenschaftlers. Zypern gehörte lange zum Osmanischen Reich und wurde 1878 an Großbritannien verpachtet. 1960 wurde es unabhängig. Es sei ein relativ reiches Land mit einer effizienten Verwaltung, die von den britischen Besatzern geprägt wurde. Aufgrund der modernen Verwaltungsstrukturen und der frühzeitigen Bekämpfung des Klientelismus sei Zypern laut Prof. Richter „europäisierter als die Mutterländer Griechenland oder die Türkei“. Die Briten lenkten die Geschicke des Landes während eines knappen Jahrhunderts mit einer Ausnahme: der Bildungspolitik. Diese überließen sie den Mutterländern, und die Zyprioten lernten nicht nur die Sprache der Mutterländer, sondern auch deren Geschichte. In jener vom Imperialismus geprägten Epoche, in der Griechenland und Türkei befeindet waren, bedeutete dies, dass ein trennendes Element zwischen griechischen und türkischen Zyprioten entstand. „Hätte man Englisch als Sprache eingeführt, wären die importierten Nationalitäten und damit die Ursachen für den heutigen Konflikt nicht entstanden“, so Richter.

Als weitere historische Ursache nannte Richter die Art des Befreiungskampfes der 1960 zur Unabhängigkeit führte. Die griechischen Zyprioten wollten keine Unabhängigkeit sondern den Anschluss an Griechenland. Die Briten spielten laut Richter beide Bevölkerungsteile gegeneinander aus und heizten den Konflikt so an. Der Unabhängigkeitsvertrag war einem Frieden nicht dienlich: Er ermöglichte ein unilaterales militärisches Eintreten eines der beteiligten Länder Griechenland, Türkei und Großbritannien, falls eine Veränderung des Status quo drohte. Den Zyprioten wurde dazu eine Verfassung übergestülpt, die bis heute nicht akzeptiert werde. In den 1960ern und 1970ern gab es auf Zypern blutige Unruhen, bei denen sowohl Griechenland als auch die Türkei als Akteure auftraten. „Seitdem hatte fast jeder UN-Generalsekretär und US-Präsident (der Zypern-Konflikt belastete die NATO) einen Friedensplan aufgestellt - alle erfolglos“, so der Mannheimer Historiker.

In der anschließenden Diskussion, die Ulrike Hamann (SPD Heidelberg, AK Europa- und Außenpolitik) moderierte, wurde über Lösungswege diskutiert. Der zypriotische Botschafter Leonidas Markides nannte als Bedingung für eine Wiedervereinigung „ausreichende rechtliche Garantien“. Binding stellte fest, dass „Außenpolitik ähnlich kompliziert“ sein kann wie sein Fachgebiet die Steuerpolitik. Für Prof. Richter liegt die Lösung im nationalen Sicherheitsrat der Türkei, der sich bewegen müsse. Fazit des Abends ist, dass historische Fehlentscheidungen spätere Probleme determinieren, die Zyprioten unter der Situation leiden und eine Lösung des Konflikts für die EU von großer Bedeutung ist.

Martin Bujard

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